350 Jahre Mennoniten im Kraichgau
Schon vor 475 Jahren entstehen, ausgehend von Zürich, überall im deutschsprachigen Raum freie Gemeinden, die sich ihren Glauben nicht weiter von Klerus und Staat vorschreiben lassen wollen.
Sie orientieren sich an Jesus Christus und den Gemeinden des Neuen Testaments. Ihre Weigerung, kriegerische Gewalt zu üben, Kinder taufen zu lassen und sich durch Eidesleistung zum Gehorsam zu verpflichten, wird zum Anstoß bei Kirche und Obrigkeit. Als "Wiedertäufer" bezeichnet, werden sie bald von Kirche und Staat als Ketzer denunziert und verfolgt. Viele werden grausam hingerichtet.


" ... sie entäußern sich auch des
Gewehrs und aller Kriegshändel ..."
Mennistenkonzession von Kurfürst Karl Ludwig,
Heidelberg 4.8.1664


Von 1527 bis 1581 werden im Kraichgau fünfundzwanzig Hinrichtungen von Täufern urkundlich erwähnt. Namentlich bekannt ist nur Georg Baumann, der 1529 im damals württembergischen Ort Bauschlott hingerichtet wird.

Die Täuferbewegung wird bis zum Beginn des 30jährigen Krieges so gut wie ausgerottet. Nur in abgelegenen Tälern der Schweiz und in den Niederlanden können täuferische Gruppen sich weiter halten.

Vor etwa 350 Jahren kommen Täufer erneut in den Kraichgau. Es sind Flüchtlinge aus der Schweiz. Dort werden sie immer noch diskriminiert und verfolgt. Der 30jährige Krieg hatte weite Gebiete verwüstet und entvölkert. Die Landesherren suchen Siedler zum Wiederaufbau. Schon 1648-1650 sollen fünf täuferische Familien nach Dühren bei Sinsheim gekommen sein. Im Januar 1650 erlassen die Freiherren von Venningen die erste "öffentliche Niederlassungsbewilligung".

In den Jahren 1651-1660 lassen sich daraufhin weitere fünf Familien in Dühren nieder. Ihnen folgen viele weitere, nachdem auch der pfälzische Kurfürst Karl Ludwig 1664 in seiner "Mennisten-Konzession" begrenzte Duldung gewährt.


"... ehe sie von ihrer
Versammlung lassen,
wollen sie lieber
das Land wieder quittieren"
Verhörprotokoll, Reihen, 29.3.1661


Zur Umgehung der den "Wiedertäufern" nach Reichsgesetz immer noch drohenden Todesstrafe werden sie in den Dokumenten nun "Mennisten" und später "Mennoniten" genannt (nach dem friesischen Täufer Menno Simons, 1496-1561).

Zunächst haben die "Mennisten" nur einge-schränkte Rechte. So dürfen sich nicht mehr als zwanzig Personen versammeln. Sie müssen ein besonderes "Schutzgeld" zahlen. Anders-gläubige dürfen ihre Versammlungen nicht besuchen. Doch als Pächter finden sie auf herrschaftlichen Gütern ihr Auskommen.
Durch Tüchtigkeit und Erfindungsreichtum geben sie der Landwirtschaft wichtige Impulse.

Bis heute leben mennonitische Christen im Kraichgau. Sie versammeln sich in vier Gemeinden. Die Impulse des Aufbruchs im
16. und 17. Jahrhundert wirken weiter.

Die Täuferbewegung bereitete den Weg für religiöse Toleranz. Ihre wichtigsten Merkmale fordern uns heute noch heraus:
- Freiwillige Entscheidung zur Nachfolge Jesu
- Glaubenstaufe als Zeichen der Entscheidung
- Gemeinde von Brüdern und Schwestern ohne hierarchische Strukturen
- Unabhängigkeit vom Staat
- Bereitschaft zum Leiden
- Gewaltfreiheit und Feindesliebe

Die Zeiten staatlicher Diskrimierung und religiöser Unterdrückung sind vorbei.
Heute können mennonitische Gemeinden ihr Modell der Gemeinde Jesu in ökumenischer Partnerschaft leben und entfalten. Die Herausforderung der Nachfolge Jesu bleibt.